Giulia's thoughts on language policies

Redet die Bundeskanzlerin männlich oder weiblich?

Der konstante Gegensatz von Mann und Frau haben das Zusammenleben über Jahrhunderte hinweg geprägt, und klassische Stereotypen von Geschlechtern geformt. Dies ist vor allem in Form von verschiedenen Rollen der Geschlechter in der Gesellschaft geschehen. Es gibt aber anscheinend auch verschiedene Sprachmuster von Männern und Frauen, genannt geschlechtsspezifische Sprache.

Trudgill gibt dazu eine sehr interessante Einführung. Ich würde sie eher als „stereotypische Sprachmuster“ bezeichnen, denn sie sind nicht wirklich wahrheitsgetreu. Ich finde, dass jeder Mensch zu aller erst geprägt ist von der eigenen Persönlichkeit, Erfahrungen, Erziehung der Eltern, Einfluss der Gesellschaft und vieles mehr. Gleichwohl sind bestimmte Sprachformen eher zu beobachten bei Frauen, und andere eher bei Männern, laut Trudgill und McDowell. In diesem Artikel geht es vor allem um männliche und weibliche Sprachformen, weswegen ich mich auf diese beiden Geschlechter konzentriere.

Stereotypische Sprachmuster

McDowell nennt als stereotypische Sprachmuster von Männern vor allem, dass diese Sprache benutzen, um Kraft und Macht zu zeigen, und um ihre soziale Position hegemonialer Männlichkeit zu zeigen. Zu dieser Vorgehensweise gehört unhöfliches Unterbrechen, Kontrolle über das Gesprächsthema, Fluchen, irritierende, unverminderte oder negative Kommentare, prahlerisches Geschichtenerzählen, das Vermeiden von persönlichen Themen und Selbstauskunft, Direktheit, nicht-gesprächsförderndes Verhalten mit Bezug auf Signale der Zustimmung und späte, minimale Antworten. Mit Frauen wird ganz anderen Verhalten assoziiert laut McDowell. Sie fördern oftmals Gruppenzusammenhalt durch oberflächliche Konversation, Alltagsgespräche und Lästern. Sie zeigen zudem mehr unterstützendes, wohlwollendes Gesprächsverhalten, weniger Direktheit, und zeigen sich mitfühlend. Das ist zu erkennen an Merkmalen, die Aussagen weniger direkt wirken lassen, und sie abschwächen. Zum Beispiel das Herantasten an Fragen oder Themen, zögerliches Antworten oder Sprechen, und der Gebrauch von tag questions, Fragen am Ende des Satzes, die nach Zustimmung fragen. Im Englischen wäre das … isn’t she? … wasn’t it? Ins Deutsche würde ich es übersetzen im Sinne von …, oder?

Warum Sprachmuster nützlich sein können

Mit diesen Beispielen meine ich nicht, dass Frauen so sprechen, nur weil sie Frauen sind. Und auch nicht, dass Männer so sprechen nur weil sie Männer sind – im Gegenteil. Worauf es dabei ankommt, ist die Community of Practice, also die übliche Sprachform die in einem speziellen Umfeld gebraucht wird. Zum Beispiel zeigt McDowell in ihrem Artikel, dass männliche Gesundheits-und Krankenpfleger weiblichere Sprachformen benutzen, weil sie in einem Umfeld sind, wo diese Umgangsform üblich ist.

Ich denke, das Wissen um diese Sprachformen sollte strategisch benutzt werden, um das eigene Ziel zu erreichen. Frauen können zum Beispiel männliche Sprachformen benutzen, um überzeugender zu wirken, und Führungsstärke zu zeigen. Deswegen habe ich mir eine Rede von Angela Merkel angeguckt, und diese nach den verschiedenen Sprachmustern untersucht. Sie hielt diese Rede am 13. November 2018 vor dem Europäischen Parlament in Straßburg.

Das Europäische Parlament in Straßburg von innen
Redet Angela Merkel männlich oder weiblich?

Es war eine Grundsatzrede zu Europa, in der sie sich klar und deutlich zu Europa bekennt. Inhaltlich ist die Rede jedoch eher oberflächlich und nicht sehr ambitioniert. Das herausstechende Statement ist ein klares Bekenntnis zur europäischen Armee. Viele andere Positionierungen sind vage, indirekt, und schon bekannte Positionen der Bundesregierung. Zum Beispiel kritisiert sie Italiens Haushaltspolitik ohne das Land direkt zu nennen: „Wer Probleme allein mit Schulden lösen will und eingegangene Verpflichtungen missachtet, stellt die Stabilität des Euro-Raums in Frage“, oder: „Wer den Rechtsstaat aushöhlt, […], der gefährdet nicht nur die Rechtsstaatlichkeit in seinem eigenen Land, sondern gefährdet die Rechtsstaatlichkeit von uns allen in ganz Europa“. Dies ist ein indirekter Verweis nach Polen, Ungarn und Rumänien. Daraus könnte man auf ein feminines Sprachmuster deuten. Des Weiteren spricht sie manchmal von sich selber und eigenen Erfahrungen: „Es ist über elf Jahre her, dass ich zum ersten Mal vor diesem Haus geredet habe“. Zusätzlich versucht sie während ihrer ganzen Rede offen zu bleiben und ein Wir-Gefühl zu schaffen indem sie von „uns Europäern“ redet. Bis auf diese Merkmale sehe ich jedoch keine Anzeichen für feminine Sprachmuster. Sie ist weder zögerlich, oder mitfühlend. Im Gegensatz, sie wehrt sich gegen Buh-Rufe aus dem Publikum mit Humor und redet unbeirrt weiter: „Das schließt dann natürlich ‑ ‑ ‑ (Zwischenrufe aus dem Plenum) – – – Ach, ich freue mich darüber. Ich lasse mich doch nicht irritieren. Ich komme auch aus dem Parlament. – Dazu gehört im Übrigen auch die gemeinsame Entwicklung von Waffensystemen […]“.

Damit könnte man schlussfolgern, dass Merkel feminine und männliche Sprachmuster benutzt. Ich habe jedoch den Eindruck, dass die Art dieser Rede viel mehr von anderen Dingen beeinflusst ist. Die gelassene, humorvolle Reaktion auf die Buh-Rufe des Plenums ist ein Zeichen ihrer langjährigen Erfahrung als Politikerin und einem gesunden Selbstbewusstsein, dass mit so einer Entwicklung einhergeht. Die Indirektheit in ihren Visionen für die Zukunft Europas und die Vermeidung von Namen einzelner Länder sehe ich eher als politisches Zeichen. Kein naming and shaming, aber eher auf generelle Probleme zeigen und die eigene Position verdeutlichen. Zusätzlich ist sie innenpolitisch eher geschwächt, und fühlte sich wahrscheinlich auch nicht in der Macht, nun noch große europäische Visionen vorzubringen. Abschließend: von sich selber und eigenen Erfahrungen zu sprechen, gibt einer Rede generell mehr Überzeugungskraft und macht sie nachvollziehbarer. Diese Mittel werden von weiblichen sowie von männlichen Politikern benutzt. Ich denke deswegen, dass die stereotypischen Sprachformen im Alltag wahrgenommen werden können, nicht in ausgefeilten Reden von Politikern. Darüber hinaus finde ich, dass man von stereotypischen Sprachmustern in erster Linie lernen kann auf die eigene Sprache zu achten, und männliche sowie weibliche Vorgehensweisen zu erlernen und zu benutzen, je nachdem was das Ziel der Konversation ist, und wie das Gegenüber reagiert.

Literaturangabe

McDowell, J. (2015). Masculinity and non-traditional occupations: Men’s talk in women’s work. Gender, Work & Organization, 22(3), 273-291.

Trudgill, P. (2000). Sociolinguistics : An introduction to language and society (4th ed.). London: Penguin.

Becker, M. (2018). Rede im EU-Parlament: Merkels Wortnebel umhüllt Europa. Zu finden auf: https://www.spiegel.de/politik/ausland/angela-merkel-und-ihre-rede-in-strassburg-ihr-wortnebel-umhuellt-europa-a-1238290.html

Busse, N. (2018). Kommentar: Merkels Europa. Zu finden auf: https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/angela-merkels-rede-vor-dem-europaeischen-parlament-15889328.html

Merkel, A. (2018). Rede von Bundeskanzlerin Merkel vor dem Europäischen Parlament am 13. November 2018 in Straßburg. Zu finden auf: https://www.bundeskanzlerin.de/bkin-de/aktuelles/rede-von-bundeskanzlerin-merkel-vor-dem-europaeischen-parlament-am-13-november-2018-in-strassburg-1549538

Titelbild von: http://www.europarl.europa.eu/news/en/press-room/20181106IPR18316/merkel-nationalism-and-egoism-must-never-have-a-chance-again-in-europe

4 Comments

  1. magdalena

    Hey Giulia! Cool that you analysed one of Merkel’s speeches! I agree with you in the fact that she indeed adopts both masculine and feminine features of speech and I think this is a necessary and good thing to do as a female politician. I never really noticed that on her, so your blog was really interesting to gain this insight. In general, your blog looks so good! 🙂

  2. astrid

    Hallo Giulia,
    ich stimme dir hier voll und ganz zu, und zwar nicht nur bei Merkel. Ich finde es schwierig bei Politiker(inne)n geschlechterspezifische Sprache zu erkennen, da ich glaube, dass vor allem die die schon langjährig dabei sind sich eher an eine Politiker-Sprache gewöhnt haben und somit beide ‘geschlechterspezifiischen’ Sprachmuster verwenden. Guter Post!

  3. antonia

    Hi Giulia,
    toller Blogeintrag! Ich sehe das ganz genauso, dass man wirklich männliche sowie weibliche Vorgehensweisen lernen und benutzen kann. Vor allem je nachdem was das Ziel der Konversation ist und wie die andere Person reagiert. Angela Merkel ist hier ein tolles Beispiel!

  4. caroline

    Hi Giulia, I found your blog very pretty and well structured! I also enjoyed reading this article and I liked your choice of looking at Merkel as you said she shows off masculine and feminine features in her speeches which makes her interesting to look at!

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