After Babel

Perspectives on Language [Vera-Kögelmaier]

Zwei Welten, eine Stadt

Englisch sprechen zu können ist mittlerweile in vielen Branchen eine der absoluten Grundvoraussetzungen, die verlangt sind um in der Arbeitswelt Fuß fassen zu können. Wer die Sprache nicht spricht ist, zumindest auf dem Arbeitsmarkt, im Nachteil. Demzufolge ist es durchaus eine logische Konsequenz, dass Englisch auch immer öfter auf Bildungsinsitutionen ausgeweitet wird: es wird in englisch gelehrt, gelesen und die entsprechenden Leistungsnachweise erbracht.
Vor allem in Master Studiengängen scheint der Trend immer weiter in diese Richtung zu gehen. Das Phänomen die eigene (nicht englische) Landessprache, in Bildungsstätten durch Englisch zu ersetzen, ist unter dem Namen Englisch-Medium Instruction (EMI) bekannt. Offensichtlich gibt es einige Dinge die für ein solches Vorgehen Sprechen. Der vermutlich meist genannte Grund ist, die studierenden adäquat auf das stets näherrückende Berufsleben vorbereiten zu wollen. Dass dies durch Lehre in Englisch geschehen soll ergibt Sinn, wenn man sich vor Augen führt, dass es in Stellenangeboten unter derBeschreibung des Bewerberprofils immer öfter heißt: “Verhandlungssicheres Englisch in Wort und Schrift wird verlangt.” Doch nicht nur Altruismus bestimmt die Wahl der Sprache, wie Wilkinson richtig aufzeigt: “Three reasons dominate: to attract international students who would not enrol in a programme in the domestic language; to make domestic students fit for the global market; and to sharpen the profile of the institution in comparison to others in the country.” (Wilkinson: 7-8) Auch der Universitäre Betrieb wird von der Globalisierung erfasst, die die Hochschulen zu Wettbewerbsfähigkeit zwingt. Man möchte in Rankings gut abschneiden,  das internationales Prestige steigern und vor allem auch talentierte Studenten und DoktorandInnen aus der ganzen Welt anlocken. Die Ausgeübte Gravitation auf potenzielle Studierende, wird durch die Option englischsprachiger Studienprogramme definitiv gesteigert.

Ich selbst sehe mich als absoluter Profiteur der EMI, denn durch meinen AufenthaltinMaastricht, verbessert sich mein Englisch stetig. Auch dass mir überhaupt erst die Möglichkeit geboten wurde hier zu studieren ist der Tatsache geschuldet, dass die Lehre im Englischen erfolgt. Das ist eine große Chance für die Ich und viele andere ausländische Studeten Dankbar sind und womöglich nur mit Englisch in solch einer Größenordnung umsetzbar ist.
Ob die zum Teil komplexen Inhalte von allen gleich gut aufgenommen werden ist allerdings fraglich. Jemand der Englisch als Mutter Sprache spricht hat ganz klar Vorteile gegenüber anderen, deren Englisch nicht perfekt ist. Der eine liest die Literatur für die nächste Sitzung in 3 Stunden, wobei der andere womöglich gute 5 Stunden braucht. Des weiteren muss für eine erfolgreiche Lehre gewährleistet sein, dass auch alle lehrenden, der englischen Sprachen auf einem hohen Niveau mächtig sind: “Issues have been raised in many studies about the quality of the language of the teaching staff and that of students. What may be called traditional education, compromising mainly of lectures, puts pressure on the lecturing staff to perform well in a language that more often than not is not their L1.” (Wilkinson: 15)
Auch im Hinblick auf Leistungsnachweise lassen sich offensichtliche Ungleichheiten erkennen. Tragisch sind diese allerdings nicht. Wer es erst einmal soweit geschafft hat sich füreinen Studiengang zu immatrikulieren, der hat in den meisten Fällen auch gute Chancen nach drei Jahren sein Bachelor-Zeugnis in der Hand zu halten.
Die Frage die sich mir allerdings stellt, ist was die wirklichen einheimischen Maastrichter von alledem halten? Ohne die aus dem Ausland kommenden studierenden,  wäre Maastricht natürlich eine andere Stadt. Die Studenten bringen Geld mit in die Stadt und verleihen ihr internationalen Flair. Doch finden die einheimischen das gut? Was denken die Maastrichter, wenn grundsätzlich davon ausgegangen wird, dass sie Englisch sprechen können (was bei den allermeisten der Fall ist), andererseits aber keine Bemühungen unternommen werden ihre Sprache zu lernen?
In Zeiten der Globalisierung werden Ängste vor dem Verlust der eigenen Kultur und die mit ihr einhergehende Sprache und Identität immer größer. Geschmälert werden diese Ängste, durch die Invasion des Englischen vermutlich nicht, falls sie überhaupt exisitieren.
Doch genau das ist es, was mich etwas beschäftigt: Ich habe keinen Einblick in die Gedankenwelt der hier Ansässigen.
Ich weiß nicht einmal, ob es ein Problem für sie darstellt! Einerseits bietet mir Englisch die Möglichkeit mit anderen Studenten aus den verschiedensten Nationen ganz einfach zu Unterhalten. Andererseits habe ich das Gefühl, dass Englisch eine Komfortzone schafft für all diejenigen, die woanders herkommen. Keiner ist wirklich gezwungen sich mit der Niederländischen Sprache oder Kultur wirklich auseinandersetzen zu müssen und das allein reicht bereits aus, dass es auch nur die wenigsten tun. Ich bin keiner von Ihnen. Ich gehöre zu der Studentenblase, die sich in der Stadt breit macht und fast schon eine Parallelgesellschaft zu den eigentlichen Maastrichtern bildet. Ahnungslosikeit auf beiden Seiten ist das Resultat. Ich möchte nicht verneinen, dass mein Blick als Erasmusstudent eventuell stärker getrübt ist, da meine Zeit hier auf nur fünf Monate beschränkt ist und Ich somit weniger Chancen habe, mich mit der Limburgischen Kultur zu beschäftigen. Dennoch denke ich, dass auch die wenigsten “regular students”  es tun. Der Ursprung dafür, dass es sich bei Maastricht im Endeffekt um zwei Städten in einer handelt, kann durchaus auf die Englisch-Medium Insruction zurückgeführt werden.

 

References:
Wilkinson, Robert (2012), English Medium Instruction at a Dutch University: Challenges and Pitfalls. In: Aintzane Doiz, David Lasagabaster and Juan Manuel Sierra (eds.), English-Medium Instruction at Universities. Global Challenges. MultilingualMatters, 3-24

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2 Comments

  1. nantkepecht April 28, 2017

    “Zwei Städte in einer” – that describes Maastricht pretty good!

  2. valerie May 9, 2017

    Hello Chris, thank you for your view on EMI in Maastricht. As a fellow ERASMUS student I can understand your view very well. On the one hand, I would not be here without EMI, on the other hand it is hard to adapt to Limburg as a region. I try to learn Dutch, but I have the perception that people here are always used to a more international flair. Germany, Belgium and France are near. My knowledge in Dutch slowly becomes better, but still people speak with me in English, French or German. I would like to know how the citizens of Maastricht perceive this international “invasion”.

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